Der kaukasische Kreidekreis - AD Theater-AG

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Vergangene Spielzeiten > Spielzeit 2003 / 2004
Der kaukasische Kreidekreis
von Bertolt Brecht

Der kaukasische Kreidekreis von Bertolt Brecht entstand 1944/45 in Santa Monica (USA) und wurde am 4. Mai 1948 in Northfield (Minnesota) im Nourse Little Theatre, Carleton College, uraufgeführt. Erst am 7. Oktober 1954 kam es im Berliner Theater am Schiffbauerdamm zu der ersten Aufführung des Stückes in deutscher Sprache.

Im Rechtsstreit um die Nutzung eines Tals nach dem Zweiten Weltkrieg tritt ein Sänger hinzu und besingt/erzählt die folgende Geschichte:
Nach einem Staatsstreich gegen den Großfürsten werden alle Gouverneure Grusiniens hingerichtet, darunter der reiche Gouverneur Abaschwili. Seine verwöhnte Frau Natella kann den Wirren der Revolution entkommen, lässt aber ihren Sohn Michel einfach zurück (denn Kleider sind ihr wichtiger). 
   Die einfache Magd Grusche nimmt sich nach einigem Zögern des Kindes an, das bereits von den neuen Machthabern gesucht wird, und flieht mit ihm in die Berge. Die Schergen des Fürsten Kazbeki
(die Panzerreiter) sind Grusche auf den Fersen.
   Im Gebirge gelangt sie schließlich durch alle Gefahren und unter vielen Opfern zu ihrem Bruder in Sicherheit, der inzwischen mit einer sehr frommen Frau verheiratet ist. Obwohl Grusche mit dem Soldaten
Simon verlobt ist, heiratet sie einen offenbar sterbenskranken Bauern, Jussup, um ihr Ziehkind durch ein Papier mit Stempel angesichts des wachsenden Misstrauens ihrer Schwägerin zu legitimieren. Als die Nachricht über das Ende des Krieges eintrifft, erhebt sich der todkranke Bauer plötzlich kerngesund von seinem nur vorgetäuschten Sterbelager. Nach dem Bürgerkrieg kehrt auch die Gouverneursfrau zurück und erhebt Anspruch auf das von ihr geborene Kind, welches ihr ein reiches Erbe sichert. 
   Als der hinzukommende Simon miterlebt, wie Grusche das Kind vor ihren neuen Verfolgern mit den Worten „Es ist meins: Ich habs aufgezogen!“ für sich beansprucht, verlässt er sie zornentbrannt.
   Der Fall wird dem einfachen, aber schlauen Dorfschreiber Azdak vorgetragen, der zwar kein Rechtsgelehrter ist, aber in den Kriegswirren als verschmitzter Lebenspraktiker auf den Richterstuhl gekommen war und bei der Landbevölkerung als Armeleuterichter galt. 
   In dem zu verhandelnden Fall ordnet er an, den Beweis der Mutterschaft durch ein Experiment zu erbringen. Dazu lässt er das Kind in einen Kreidekreis stellen und ordnet an, beide Frauen sollten gleichzeitig versuchen, das Kind zu sich aus dem Kreis herauszuziehen (denn es heiße "die wahre Mutter wird die Kraft haben, ihr Kind aus dem Kreis zu reißen"). Herrisch reißt die Gouverneursfrau ihr Kind an sich, welches Grusche voll Mitleid loslässt. Hierdurch erweist sie sich als die „wahrhaft Mütterliche“, die ihr Kind liebt und es lieber loslässt, als ihm weh zu tun. Schließlich erhält nicht die leibliche Kindesmutter das Kind zugesprochen, sondern die Magd Grusche, die in Liebe und täglicher Pflichterfüllung bewiesen hat, „dass da gehören soll, was da ist, denen, die für es gut sind“, wie es am Ende des Stückes heißt.
 Azdak verjagt die Gouverneursfrau und scheidet Grusche von ihrem Gatten, damit sie ihren Verlobten Simon heiraten kann.

Alleko Bereschwili, alter Bauer, Ziegenkolchos Galinsk
Sebastian R.
Makinä Abikadze, Bäuerin, Ziegenkolchos Galinsk
Pia W.
junge Bauern, Ziegenkolchos Galinsk
Anna B.
Dorothea C.
Niko H.
Boris W.
Surab, alter Bauer, Obstbaukolchos „Rosa Luxemburg“
Bäuerin, Obstbaukolchos „Rosa Luxemburg“
Kato Wachtang, Agronomin, Obstbaukolchos
junge Traktoristin, Obstbaukolchos „Rosa Luxemburg“
verwundeter Soldat, Obstbaukolchos „Rosa Luxemburg“
Soldaten, Obstbaukolchos „Rosa Luxemburg“
Matthias F.
Catrin N.
Friederike E.
Joanna K.
Christian H.
Martin G.
Filip K.
Sachverständiger der Plankommission
Julia A.
Arkadi Tscheidse, Sänger
Hedwig S.
Georgi Abaschwili, Gouverneur in Nukha
Natella Abaschwili, seine Frau
Michel, Abaschwili, ihr Sohn
Raffael K.
Kathrin B.
Damian R.
Shalva, der Adjutant des Gouvernuers
Maximilian S.
Arsen Kazbeki, ein Fürst
Bizergan Kazbeki, sein Neffe
Christopher B.
Michael M.
Meldereiter
Hedwig S.
Niko Mikadze, Arzt
Mikha Loladze, Arzt
Sebastian R
Matthias F
Simon Chachava, Soldat
Christian H.
Grusche Vachnadze, Magd
Jana Fee M.
Baumeister des Gouverneurs
Friederike E.
Joanna K.
Maxie S.
Assja, Kammerfrau
Sulika, Kammerfrau
dicke Nina, Kammerfrau
Kinderfrau
Köchin
Eva Maria S.
Ricarda M.
Niko H.
Kristin R.
Cornelia H.
Panzerreiter des fetten Fürsten
Soldat des fetten Fürsten
Filip K.
Martin G.
Milchbäuerin
Catrin N.
vornehme Dame
vornehme Dame
Ursula S.
Ann-Kathrin M.
Wirt
Ludowika, seine Schwiegertochter
Hausknecht, sein Knecht
Maxie S.
Eva Maria S.
Matthias F.
Bäuerin
Bauer
Pia W.
Julia A.
Händler
Friederike E.
Joanna K.
Maxie S.
Lavrenti Vachnadze, Bauer, Grusches Bruder
Aniko Vachnadze, seine Frau, Grusches Schwägerin
Boris W.
Anna B.
Beerdigungsgäste, Hochzeitsgäste

Bruder Anastasius, Mönch
Martin G.
Junge
Mädchen
Michael M.
Theresa B.
Arzu H.
Lucia L.
Azdak, Dorfschreiber
Schauwa, Polizist
Hannah S.
Boris W.
Flüchtender Großfürst
Maximilian S.
Arzt
Invalider
Hinkender
Friederike E.
Ann-Kathrin M.
Hedwig S.
Erpresser
Raffael K.
Alte arme Bäuerin
Irakli, ihr Schwager, Bandit
Anna B.
Martin G.
Großbauer
Julia A.;
Catrin N.,
Pia W.
Illo Schubodladze, Anwalt
Sandro Obodladze, Anwalt
Matthias F.
Sebastian R.
Alte Ehefrau
Ann-Kathrin M.
Alter Ehemann
Christopher B.
 Backstage
Musikalische Leitung, Klavier
Ursula S.
Klarinette
Sebastian R.
Bühne
Anna B., Boris W.
Programm-/Plakattitel
Julia A.
Aufführungsrechte bei
Suhrkamp Verlag, Frankfurt
Eine Produktion des
Literaturkurs 12/13
Kursleitung
Thomas Mehl

Bertolt Brecht 

Bertolt (eigentlich: Eugen Berthold Friedrich) Brecht  wurde am 10 Februar 1898 in Augsburg als Sohn eines Papierfabrikdirektors geboren. Bis 1908 besuchte er zuerst die Volksschule und ab 1917 das Peutinger-Realgymnasium in Augsburg. 
   Wegen des ersten Weltkrieges schloss Brecht seine schulische Laufbahn mit dem Notabitur ab und war ein Jahr als Sanitäter im Krieg aktiv. Sein Studium mit den Fächern Naturwissenschaften, Medizin und Literatur musste er beenden, weil der Dienst als Sanitäter ein zeitgleiches Studium nicht zuließ. 
   1920 starb seine Mutter, zu der er ein gutes Verhältnis pflegte. Um die Jahre 1921-1923 reiste er oft nach Berlin, um dort Beziehungen zu anderen Theaterleuten und Schriftstellern zu knüpfen. 1923 wurde er Dramaturg an den Münchener Kammerspielen (le petit théâtre), 1924 am Deutschen Theater. Ab 1924 lebte er als freier Schriftsteller in Berlin. Schon 1926 begann er Marxismus zu studieren. 1927 wurde er ein Mitglied einer dramaturgischen Gruppe, die Piscators Theater gründete.
Bis Ende der 1920er wurde Brecht dann zum überzeugten Kommunisten und baute seine politischen Ziele mit in seine Werke ein. 1928 schrieb er „Die Dreigroschenoper". Die Uraufführung war am 31. August. Dieses sozialkritische Stück war ein Welterfolg, weil es durch die Leichtfertigkeit (frivolité) der 20er Jahre gekennzeichnet war (caractérisé). Deshalb übertraf dieses Stück alle anderen Stücke aus dieser Zeit!
   Als 1933 die Nationalsozialisten an die Macht kamen, wurde die Aufführung von "Die Maßnahme" von der Polizei unterbrochen und die Veranstalter wegen Hochverrats angeklagt. Kurz vor der Bücherverbrennung flüchtete er am 28. Februar nach Dänemark, wo er die nächsten fünf Jahre blieb. 1935 wurde ihm die deutschte Staatsbürgerschaft aberkannt. Diese Exiljahre waren eine Schaffungsperiode, in der er viele wichtige Stücke schrieb.
  1947 verliess er Amerika und kam er in die Schweiz. Zwei Jahre später kehrte er nach Ost-Berlin zurück. Dort gründete er das Berliner Ensemble, und bis 1956 errang er internationalen Ruf (renommée). Er war auch ab 1950 Mitglied der Akademie der Künste in Ostberlin. 1954 wurde ihm der Stalinfriedenspreis verliehen (accordé). 
   Seine letzten Lebensjahre verbrachte Brecht in Ost-Berlin, bis er am 14. August 1956 an den folgen eines Herzinfarktes starb.                        

  



Der Zuschauer des dramatischen Theaters sagt: Ja, das habe ich auch schon gefühlt. – So bin ich. – Das ist nur natürlich. – Das wird immer so sein. – Das Leid dieses Menschen erschüttert mich, weil es keinen Ausweg für ihn gibt. – Das ist große Kunst: da ist alles selbstverständlich. – Ich weine mit den Weinenden, ich lache mit den Lachenden.
Der Zuschauer des epischen Theaters sagt: Das hätte ich nicht gedacht. – So darf man es nicht machen. – Das ist höchst auffällig, fast nicht zu glauben. – Das muss aufhören. – Das Leid dieses Menschen erschüttert mich, weil es doch einen Ausweg für ihn gäbe. – Das ist große Kunst: da ist nichts selbstverständlich. – Ich lache über den Weinenden, ich weine über den Lachenden. (Bertolt Brecht, ca. 1936)

Der Kreidekreis: Die Kreidekreisprobe des alten chinesischen Romans und Stückes sowie ihr biblisches Gegenstück, Salomons Schwertprobe, bleiben als Problem des Muttertums (durch Ausfindung der Mütterlichkeit) wertvoll, selbst wenn das Muttertum anstatt biologisch nun-mehr sozial bestimmt werden soll. Der Kaukasische Kreidekreis ist keine Parabel. Das Vorspiel könnte darüber einen Irrtum erzeugen, da äußerlich tatsächlich die ganze Fabel zur Klärung des Streitfalls wegen des Besitzes des Tals erzählt wird. Genauer besehen aber enthüllt sich die Fabel als eine wirkliche Erzählung, die in sich selbst nichts beweist, lediglich eine bestimmte Art von Weisheit zeigt, eine Haltung, die für den aktuellen Streitfall beispielhaft sein kann, und dann ist das Vorspiel als ein Hintergrund erkennbar, der der Praktikabilität dieser Weisheit sowie auch ihrer Entstehung einen historischen Platz anweist. Das Theater darf also nicht die Technik benutzen, die es für Stücke vom Parabeltypus ausgebildet hat. (Bertolt Brecht, ca. 1944)



Dulle Griet – Die tolle Grete
Gemälde von Peter Bruegel d. Ä., 1562
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