Sommergäste - AD Theater-AG

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Vergangene Spielzeiten > Spielzeit 2009 / 2010
Sommergäste
Szenen von Maxim Gorki
 
„Meine Damen, unser Leben ist eine Blamage!“
 
Auf dem Landgut des Rechtsanwaltes Basow treffen sich die Stützen der Gesellschaft, um dort gemeinsam den Sommer zu verbringen. Man kann der Stadt mit Kind und Kegel den Rücken kehren, und so gestaltet eine Reihe von Ärzten, Juristen, Ingenieuren und Künstlern ihre wohlverdiente freie Zeit mit Faulenzen und Feiern, Sport und Spott. Die ländliche Idylle verliert jedoch bald ihren Reiz, die Sommerfrischler sind zu unterschiedlich. Neid und Intrigen, Liebschaften und Enttäuschungen brechen durch die Oberfläche des ehemals so friedlichen Miteinanders.
   Basows Frau Warwara beginnt, die vertrauten Positionen der einzelnen Gäste zu hinterfragen. Sie sieht die einfachen Leute, das Volk, draußen vor der Tür, sie sieht sich und die Gruppe der ihr Gleichgestellten als „Sommergäste im eigenen Land“. Doch diese Wahrheit stößt bitter auf. Koalitionen verschieben sich, die Situation eskaliert, am Ende fällt ein Schuss...
   Der Literaturkurs 13 spielt das von Maxim Gorki als Szenen bezeichnete Drama über den Untergang der bürgerlichen Gesellschaft ein gutes Jahrhundert nach seiner Premiere. Doch überraschenderweise hat das Stück, trotz seines vermeintlichen Alters, nichts von seinem kritischen Potential verloren. Die von Gorki gezeichnete Gesellschaft ist der unsrigen erschreckend ähnlich, die Führungsgeneration von heute unterscheidet sich nur den Namen nach von den „Sommergästen“ Gorkis.

Szenen
 
Gorki hat die Sommergäste nicht Drama oder Schauspiel genannt, sondern „Szenen“. So folgt dann unsere Spielfassung, die auf unterschiedlichen Übertragungen und Versionen der „Datschnikis“ – so der eigentliche Titel des Stücks – beruht, auch nicht der klassischen Dramaturgie, vielmehr zeigen wir in einem Mosaik Menschen, die sich alle zur Sommerfrische im Landhaus des wohlhabenden Rechtsanwaltes Basow eingefunden haben, Menschen in ihrem Kommen und Gehen, das eine solche Ansammlung von Persönlichkeiten zur Zeit der Sommerfrische prägt.
   Die Datscha, das ist jenes kleine Landgut, das Ferienhaus, welches man im Sommer zu mieten sucht oder zu besitzen in der Lage ist. Man kann es sich leisten, in der heißen Zeit des Jahres der Stadt den Rücken zu kehren und mit Kind und Kegel aufs Land zu ziehen. Und wenn man keine Datscha sein eigen nennen kann, schlüpft man unter bei denen, die wohlhabend genug sind. Auf die Datscha zu ziehen heißt, die drückende Atmosphäre der Großstädte einzutauschen gegen gesunde Natur, gegen Flüsse und Seen, Birkenwälder.
   Man liest, schreibt Briefe, geht spazieren, trifft sich mit Freunden und Nachbarn zum Tee, zum Schachspiel, musiziert gemeinsam oder allein, malt, treibt Sport, sinnt nach, ruht ein Weilchen, arbeitet vielleicht ein wenig und redet, und man redet vielleicht ein wenig zu viel.
   Man trifft sich, mal zufällig, mal absichtlich, man beobachtet einander, wird beobachtet.
Man flirtet, streitet, verführt, hintergeht, verzeiht, entzweit sich, bricht auf, bleibt.
   Nach dieser Sommerfrische soll es nicht mehr so sein wie früher, aber so ganz anders wird es wohl doch nicht werden. Dafür sind die Menschen zu sehr gefangen in ihrer Arriviertheit, sie kleben am Status Quo, an ihrem Beruf, an ihren Partnern. Das beschauliche Arkadien entpuppt sich als Fassade, hinter der Langeweile, Neid, Intrige, Larmoyanz und Angeberei lauern – das ganze Spektrum menschlicher Schwächen und der daraus resultierenden Konflikte. Nur wenige werden es schaffen, geläutert die Landpartie zu verlassen.
   Die Premiere am 11. November 1904 in St. Petersburg geriet zum gesellschaftlichen Skandal. Im Verlauf des Abends sah sich das vornehme Publikum zunehmend der Kritik ausgesetzt. Anfängliches Wohlwollen – Beifall für den Autor noch vor der Pause – schlug um in Missfallen, in Pfeifen und Zischen; zu sehr hat Maxim Gorki den versammelten Spitzen der Gesellschaft den Spiegel vorgehalten und die Maske vom Gesicht gerissen. Die versammelten Kleinbürger mit intellektuellem Anstrich entpuppen sich als eitle Egoisten, vom Leben gezeichnete Existenzen. Gorki setzt da an, wo Tschechow seine Figuren ins Ungewisse entlässt, wenn das Landgut des Kirschgartens zerteilt wird, um Platz zu machen für die Datschen der Sommergäste. Bezeichnenderweise fällt die Uraufführung der Sommergäste in das Todesjahr Anton Tschechows. Seine Gutsbesitzer des vergangenen 19. Jahrhunderts mussten der neuen Führungsgeneration weichen – und heute stellt sich die Frage, ob die Sommergäste Gorkis wirklich weitergereist sind.

Sergej Basow, ein Rechtsanwalt
Ruben W.
Warwara, seine Frau
Lucia B.
Kalerija, Basows Schwester
Svenja B.
Wlas Tschernow, Warwaras Bruder
Andreas W.
Pjotor Suslow, ein Ingenieur
Wolfgang B.
Julija, seine Frau
Katherina M.
Kirill Dudakov, ein Arzt
Justus R.
Olga, seine Frau
Dominique R.
Jakow Schalimow, ein Schriftsteller
Maximilian B.
Pawel Rjumin, ein Sommerfrischler
Erik G.
Marja Lwowna, eine Ärztin
Annika S.
Sonja, ihre Tochter
Jennifer G.
Doppelpunkt, Suslows Onkel
Tim Phillip B.
Zamyslow, Basows Stellvertreter
Fabian F.
Maxim Zimin, ein Student
Nils B.
Pustobajka, ein Wächter
Lars T.
Kropilkin, ein Wächter
Anatolij D.
Sascha, Basows Kindermädchen
Vanessa F.
 Backstage
Bühnenbau
David S.
Wolfgang B.
Fabian F.
Technik
David S.
Spielfassung und Produktion
Literaturkurs 13
Kursleitung
Thomas Mehl
Maxim Gorki

Der russische Schriftsteller wird nach gregorianischer Zeitrechnung am 28. März 1868 in Nischni Nowgorod geboren. Er stirbt am 18. Juni 1936 in Gorki bei Moskau.
   Alexei Maximowitsch Peschkow ist der eigentliche Name des in ärmlichen Verhältnissen aufwachsenden Sohn eines Tischlers. Die Situation der verarmten Figuren seiner Dramen und Romane war ihm nicht fremd, seine Familie lebte zuweilen selbst in Elends-unterkünften, Alexei musste seit seinem zehnten Lebensjahr Geld verdienen – als Lumpensammler, Lauf- und Küchenjunge, Verkäufer, Ikonenmaler, Schiffsentlader (sein Großvater war Wolgaschlepper gewesen), Bäckergeselle, Maurer, Nachtwächter, Eisenbahner und Rechtsanwaltsgehilfe.
   Von der Universität wird er als Student abgelehnt. Privat erlebt er eine Reihe von Schwierigkeiten, die u.a. in einem Selbstmordversuch münden. Der Autodidakt wendet sich nach ersten schriftstellerischen Versuchen vom Schreiben ab und wandert zu Fuß durch Russland, die Ukraine und über den Kaukasus nach Tiflis. Man rät ihm, die gemachten Erfahrungen literarisch zu verarbeiten. 1892 veröffentlicht er erstmals unter dem Pseudonym „Maxim Gorki“ (d.h.: der Bittere). Er arbeitet als Journalist, veröffentlichte Erzählungen und Lyrik. Mit seinen Dramen Die Kleinbürger (1901) und Nachtasyl (1902) wird er so erfolgreich, dass das Regime Schwierigkeiten hat, gegen seine Kontakte zu revolutionären Kreisen vorzugehen. Zu groß ist die Unterstützung bei anderen Schriftstellern und der allgemeinen Öffentlichkeit. Wiederholt wird er festgenommen und später freigelassen.
   Er verbringt einige Jahre im Ausland: in Frankreich, den USA (1906-07) und auf Capri (1907-1913), bevor er im Anschluss an eine Amnestie wieder nach Russland zurückkehren kann. 1921 zeiht er, auf Anraten Lenins, nach Deutschland, um dort eine Tuberkuloseerkrankung auszukurieren, von 1923 bis 1927 lebt er in Sorrent.
   1927 wird er von der kommunistischen Akademie als proletarischer Schriftsteller anerkannt und kann in die Sowjetunion einreisen. Dort ist er journalistisch und schriftstellerisch tätig bis zu seinem Tod 1936. Seine Todesursache war lange Zeit umstritten, Verschwörungstheorien sehen u.a. den sowjetiischen Staatssicherheitsdienst als nicht unschuldig an. Heute geht man davon aus, dass die lange und wiederkehrende Krankheit Ursache für seinen schwachen Gesundheitszustand war.


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